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Melissa kriegt alles, DT
Against the record, HAU 1
Manifesto, Harake Dance company
Salon 89, Sophiensäle
Gazino Berlin, Heimathafen
Bridge Markland + Gäste: queens + kings, AHA
Frau im Kampfmodus
Wie definiert sich das Frausein heute? Welche unterschiedlichen Ausprägungen sind möglich? Wie findet sich frau in diesen zahlreichen, individuellen Möglichkeiten wieder?
Diesen Fragen stellte sich die Ausgabe von "We Present #14“ im Lichthof. Die Formate reichten von Oper über Performance bis Tanz.
Pauline Jacob ist fasziniert vom Vogel namens "Prachtleierschwanz". Er kopiert, imitiert und variiert die Geräusche, die er um sich herum wahrnimmt. Jacob rückt dem Vogel auf den Leib, um sich selbst auf der Bühne auszuprobieren und spürt gleichzeitig seinem mythologischen Verwandten, dem begnadeten Sänger Orpheus, nach. Sie holt Teile des Publikums auf die Bühne und entführt sie mit Kopfhörern in nebelumwaberten Traumwelten, die in eine Freiheit führen, die sie als Frau aus der Musen- und Nachahmerrolle austreten und die Gestaltung selbst übernehmen lässt. Jakobs charmante, ornithologisch-musikalische Spurensuche zeigte, wie Selbstermächtigung im Musiktheater gelingen kann.
Auch die Performerin Serfiraz Vural macht sich auf den Weg, eine Symbolfigur zu ergründen. Die Schlangenfrau Sahmaran wird von der kurdischen Frauenbewegung gefeiert. Dazu sitzt Vural wie eine Märchenerzählerin mit einer großen Obstschale, dessen Früchte sie für ihre Zuhörer zubereitet, auf dem Boden und erzählt die alte Geschichte. Sie schlüpft zwischen den Sequenzen kurz in die Rolle der Schlangenfrau, die der sinnlichen Verführerin, die der in einen Granatapfel beißenden Eva und die der Kämpferin. Denn Vural spinnt den Bogen bis in die Jetztzeit. In der letzten Szene wird ihre Erzählung mit Nachrichten über den kurdischen Befreiungskampf in Syrien und den Verrat des Westens unterlegt. Doch die zwanzigminütige Performance kann diese Gedanken nur anreißen. Sie bleiben zu eindimensional, um nachhaltig zum Nachdenken anzuregen.
Das gelingt der letzten Arbeit dafür umso intensiver. Die Choreografin Anna Semenova-Ganz und die Tänzerin Tatjana Tchizhikova erforschen in „The Striker“ den Wunsch einer Frau zu kämpfen. Den Drachen trägt sie auf der Schulter, als Tchizhikova die Arena des Zuschauerrunds betritt. Dann stellt sie den kleinen Plastikdrachen auf den Boden. Er schreitet auf sie zu und faucht sie an. Doch Tatjana ist bereit zum Kampf. Sie spannt jeden Muskel an, sie bringt sich in Kampfposition, sie zeigt ihre Topform, sie hechelt sich in höchste Erregung, sie fordert heraus, sie zeigt keine Schwäche. Sie schreit ihre Kampfeslust heraus. Minutenlang Doch dann kommen die Gegenschläge. Sie krümmt sich. Sie stürzt auf denn Boden, sie schützt ihren Kopf. Alles in Zeitlupe, in höchster Erregung, in voller Konzentration.. Sie zeigt, welche Haltung eine Kämpferin benötigt, um für die Auseinandersetzung bereit zu sein. Sie führt minutiös vor, welche Stadien der Aggression durchschritten werden müssen, um in den Kampf zu gehen. Das fordert nicht nur die Tänzerin heraus sondern auch die Zuschauer. Selten wurden die psychologischen Voraussetzungen für einen Kampf so gnadenlos und so punktgenau analysiert. Eine nicht tänzerisch sondern auch intellektuell herausragende Arbeit.
Birgit Schmalmack vom 23.12.19