Sie sind hier: Kampnagel
Zurück zu: HH-Theater I-S
Allgemein:
Melissa kriegt alles, DT
Against the record, HAU 1
Manifesto, Harake Dance company
Salon 89, Sophiensäle
Gazino Berlin, Heimathafen
Bridge Markland + Gäste: queens + kings, AHA
Geschichten schaffen Realitäten
Um ein Lagerfeuer herum haben sich die Dorfbewohner versammelt. Einmal im Monat kommen sie zusammen um sich Geschichten zu erzählen. Ihre Geschichten sollen die Wirklichkeit darstellen, variieren und erschaffen. Denn ihre Erzählungen sind Konstruktion ihrer veränderten Realitäten.
So verändert auch Regisseur Wim Vandekeybus immer wieder die Wirklichkeit seiner Geschichten, die er auf der Bühne um das Feuer und das Wasser erzählt. Aus dem Leiberhaufen aus Packpapier schält sich ein leibhaftiger Mensch. Er ist nackt. Zum Schluss wird herausstellen, dass er eigentlich nie geboren wurde und deswegen alles sein könnte: ein kleines Kind, eine Frau, ein junger Mann, ein alter Mann.
Über ihm auf der Leinwand nehmen die Bilder und Geschichten um Jerry gefangen. Zunächst ist er ein Alter Ego von Vandekeybus. Als Regisseur im Kölner Schauspielhaus fordert er das Äußerste von seinen Schauspieler. „Iss sie“, herrscht er den Darsteller an. Er will das Echte zeigen, er will kein Fake, er will die wahren Emotionen. Jerry will erschaffen, doch seine Kreationen wenden sich gegen ihn. Die Schauspielerin greift ihn an und wirft ihn zu Boden. Die Deiche, die er baut, brechen und ertränken seine Frau und sein ungeborenes Kind. Die Tiere, die er auf der Jagd mit Freunden erlegen will, entpuppen sich als Zombies. Schweißgebadet schreckt er immer aus Albträumen auf der Matratze in seiner einsamen Hochhauswohnung auf.
Dem Ungeborenen gibt der Performer Damien Chapelle seine enervierende Gestalt und Stimme. Er klettert auf hohe Pfähle, um den Filmfiguren näher zu kommen, Er setzt sich auf einen Feuertopf, um mit einem Schmerzenschrei wieder aufzuspringen. Er springt in den Wasserbottich wie in die Fruchtwasserblase einer Gebärmutter. Er ruft in einen Metalltrichter unverständliche Sätze. Er erzählte die Fabel von der Ameise und der Grille. Er ruft zum Schluss: Ich vermisse dich! Doch seine Tränen dazu kommen aus einem Wasserschlauch.
Vandekeybus Arbeit ist von bezwingender Intensität, die vereinnahmend, anstrengend, beklemmend, verängstigend und berührend ist.
Birgit Schmalmack vom 25.5.12
Abbildung: Monkey Sandwich auf Kampnagel - von WIM VANDEKEYBUS
Gehe zu: Befreier Fall Open for ererything