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Kaleidoskop der Transformation
Eine indische Community in Südafrika. Was einst als Wohnquartier zu Zeiten der Apartheit für indische Arbeitsmigranten gedacht war, hat sich mittlerweile zu einer Reihenhaussiedlung entwickelt, in der sich sowohl Tradition, Transformation wie auch Integration zeigen. Die Choreographin Constanza Macras lässt mit ihrem multinationalen Team aus Afrikanern, Indern, Südamerikanern und Europäern diesen Stadtteil namens "Chatsworth" auf der Bühne lebendig werden.
Zu Beginn steckt jeder der Tänzer/Innen unter einem riesigen Tuch. Assoziationen von Kopftüchern, Hijab und Vollverschleierung tauchen auf. Doch dann schälen sich aus der Gruppe die Einzelpersönlichkeiten der Tänzer/Innen heraus und das Kennenlernen beginnt.
Dazu mischt Macras wild die verschiedenen Musik- und Tanzstile und Geschichten. Sie zeigt die Matchbox-Siedlung, die die einstige Gleichförmigkeit durch den Gestaltungswillen seiner indischen Bewohner schon lange hinter sich gelassen hat. Sie erzählt von einer Witwe, die mit ihren zwei Kindern nach Südafrika kam und einen florierenden Obst- und Gemüsehandel aufgebaut hat. Sie erzählt von einem indisch-afrikanischen Paar, das sich im Slum von Durban versucht durchzuschlagen. Sie erzählt von einer reichen Familie, die alles aufgibt um als asketische Mönche zu leben. Eine der Performerinnen tritt als Musikwissenschaftlerin auf und versucht sich an einer scheinbar objektiven und völlig missglückter Analyse aus der Außen-West-Perspektive. Und immer wieder springt das Ensemble in bunter Ethno-Verkleidung in die Mitte der Bühne und tanzt dazu als Kontrastelement eine schwungvolle Bollywood-Choreographie.
Macras nimmt so nebenbei auch die Musical-Kultur ironisch auf die Schippe. Obwohl die Themen exotisch sind, stünden auf der Bühne immer nur Weiße. Farbige Schauspieler dürften im Westen nicht mal farbige Rollen übernehmen. Das macht Macras völlig anders. Ihr Ensemble ist so vielfältig wie ihr Thema. Die Hautfarben und Körperformen spiegeln die diverse Gesellschaft wieder.
Der Abend steigert sich bis zum Ende immer weiter. Er wird immer mitreißender. Zum Schluss bedanken sich die Zuschauer mit stehenden Ovationen bei den sich verneigenden Performern, die sie dank der Arbeit von Macras als Künstler-Individuen erleben durften.
Birgit Schmalmack vom 29.10.19