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Tanz auf dem Vulkan
In erdfarbenen Hosen und Hemden, Frauen und Männer gleich gekleidet, üben sie den Schulterschluss. Im bewährten Schunkelrythmus suchen sie das Vertraute. Sie vergewissern sich ihrer gemeinsamen Basis in traditionellen Tanzschritten, die jedoch Sekunden später schon zur Abgrenzung gegen die vermeintlich Fremden genutzt werden können. Dann werden Mauern hoch gezogen, die trennen, die begrenzen. Dazu bilden die fahrbaren Wandteile ganz nach Bedarf die entsprechenden unüberbrückbaren Trennlinien. Die Fäuste werden dann in die Luft gestreckt, die Aggressionen kochen hoch und münden in Rangeleien. Immer wieder gehen einige zu Boden. Diese Tötungen gehen lautlos von statten. Meist wird dazu einer von hinten umarmt und sinkt leblos hinab. Dann wird er zu Spielmaterial für die anderen . Wie Puppen werden dann die Frauen hin und her geschleudert, ihre Glieder ganz nach Bedarf gesteuert und ihre Körper als willenlose Tanzpartnerinnen genutzt.
Wie schnell Stimmungen kippen können, führen die Tänzer und Tänzerinnen in "Grand Finale" vor. Berechenbar ist hier nichts mehr. Das wirkt beängstigend und sorgt für durchgreifende Verunsicherung. Da braucht es immer wieder die Rückversicherung in den vermeintlich stabilen Gemeinsamkeiten. Wie traditionelle Brauchtumspflege in Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit umschlagen kann, deutet Hofesh Shechter damit an. Doch die Feinde befinden sich nicht außerhalb der Gemeinschaft sondern in den eigenen Reihen. Gelernt wird hier nichts aus den erlebten Erfahrungen. Sofort wieder aufstehen und weitermachen ist die Devise. Bloß keine Schwäche zeigen. In einer stetigen Wiederholungsschleife tanzen sie einfach weiter.
Nach der Pause wird das Tempo noch höher. Feiern bis zum Abwinken scheint nun das Motto zu sein. Zu zuckenden Beats tanzen die Menschen bis zum bitteren Ende. Die Kleidung ist in der Gegenwart angekommen. Keine Konfrontation mit den Realitäten sondern Ablenkung durch Events ist hier angesagt. Das Live-Salonorchester auf der Bühne mutet dazu an wie die Band auf der Titanic, die noch spielt, wenn das Wasser schon bis zum Halse steht. Hofesh Shechter zeichnet in seiner Choreographie " Grand Finale" das Bild einer Gesellschaft, die die Augen verschließen und sich nur noch amüsieren will. Sie tanzt auf dem Vulkan und weiß es auch noch.
Birgit Schmalmack vom 7.12.18
Abbildung: Grand Finale von Hofesh Shechter - copyright Rahi Rezvani
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