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Allgemein:
Melissa kriegt alles, DT
Against the record, HAU 1
Manifesto, Harake Dance company
Salon 89, Sophiensäle
Gazino Berlin, Heimathafen
Bridge Markland + Gäste: queens + kings, AHA
Was ist erlaubt? Was ist verboten?
In einer Mischung aus Frontalunterricht und Dark Room erteilen She She Pop ihren Zuschauern dieses Mal 12 Lektionen über die Scham. Dafür nehmen sie am Predigtpult in schwarzer Robe Platz und tragen aus ihrer eigens dafür ausgewählten Sekundärliteratur vor. Gegensätzlicher könnten die beiden Werke kaum sein: "Frühlings Erwachen" von Frank Wedekind, in dem ein junger Mann aufgrund seiner Scham Selbstmord begeht, und "50 Shades of Grey", in der eine junge Frau ihre sexuellen Abenteuer detailgetreu und scheinbar ohne jede Scham beschreibt.
Am besten wäre es natürlich gewesen, wenn sich alle im Publikum ausgezogen und gegenseitig in praktischen Übungen ihrer sexuelle Erfahrungen mitgeteilt hätten, bemerkt eine der Performerinnen. Doch das verhindere die Scham. Also versuchen She She Pop mit etlichen Gästen aller Altersgruppen und Körperformen ihre Ausführungen selbst zu bebildern. Dazu stellen sie sich hinter eine der beiden Leinwände, verdecken Teile ihres Körpers mit schwarzer Kleidung und lassen so Projektionen wie folgende zustande kommen: Die Vortragende zeigt ihren Kopf auf einem Rumpf, der ganz klar als Männerkörper identifiziert werden kann und dessen Beine durch die kurzberockten einer Frau ersetzt werden. She She pop zeigt in ihrem Scham-Unterricht was alles an sexuellen Identitäten möglich ist, wenn die Gedankenfreiheit erlaubt ist. Es entstehen hybride Möglichkeiten, in denen zwei Oberkörper unterschiedlichen Geschlechts verschmelzen, in denen zwei Finger unterhalb eines Frauenoberkörpers zu ihren Beinen werden und ein Lippenpaar zu ihrem Geschlecht. Mit mehreren Gliedmaßen tanzen die Performer in der Projektion wie Gott Shiva oder zum Schluss als Skelettteile ihren Totentanz.
Mit lakonischen und ironischem Witz verhindern sie bei all der gezeigten Nacktheit jede Form von Peinlichkeit und eröffnen so neue sexuelle und gesellschaftliche Denkräume mit und jenseits der Scham.
Birgit Schmalmack vom 6.12.16
Abbildung: She She Pop - By Doro Tuch