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Souveräne Performance
Ein Performance-Strip von Martinez gerät unerlaubter Weise online. Plötzlich ist sie ein "hot star" und erhält Emails von Männer, die sich an ihr und ihren Fantasien aufgeilen und ihr massenhaft Angebote unterbreiten.
Diese Ausgangsituation nimmt Martinez zum Anlass einer witzigen und intelligenten Analyse von Selbst- und Fremdwahrnehmung, von Rollenzuschreibungen, von Geschlechtererwartungen und vom Durchbrechen dieser. Sie wählt dafür eine denkbar einfache Form: Zwei Stehpulte, ein Laptop und eine Videoleinwand reichen ihr. Das linke Stehpult ist für ihre eigenen Stories reserviert. Hier erzählt sie in knappen, poetischen und prägnanten Anekdoten von sich, ihrer Kindheit, ihrer Familie, ihren Freunden. Im Hosenanzug mit strenger Hochsteckfrisur und rotem Lippenstift wirkt sie überlegen und souverän. Als sie ans rechte Pult wechselt, erscheint sie ganz ungeschminkt in Unterhemd, grauer Weste zu grauer Hose, Flipflops und offener Lockenmähne. Denn nun geht es um die Reaktionen der Männer. Meist haben sie ein Bild mitgeschickt, wenn sie ihr ihre unzweideutigen Angebote per Mail unterbreiten. Martinez nimmt nicht nur ihre Posen ein sondern imitiert perfekt ihren Duktus, ihren Dialekt und ihren Ausdruck. Nur ihre Mimik verrät ihren eigenen Kommentar. Doch die ist aussagekräftig genug.
Zwischen diesen beiden Teilen ist ihre legendäre HANKY PANKY Strip-Performance zu sehen, bei dem sie zunächst ein rotes Taschentuch zum Verschwinden bringt und anschließend wieder hervorzaubert, auch als sie zum Schluss gar nichts mehr am Leibe trägt. Klar dass dieser Auftritt, der mit einem Augenzwinkern daherkommt und eine Natürlichkeit, eine Erotik, eine Überlegenheit und eine Intelligenz ausstrahlt, Männerfantasien anzuregen vermag. Wie Martinez mit ihnen umgeht, sie ausstellt, sie kommentiert ohne sie lächerlich zu machen, das ist eine Kunst, die nur einer so souveränen Performerin wie ihr gelingen kann.
Birgit Schmalmack vom 24.8.16
Abbildung: Ursula Martinez auf Kampnagel - Foto: Hugo Glendinning