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Kein Heiligenschein
John Smith steht unter Schock. Als einziger seiner Firma hat er einen Amoklauf überlebt. Ein ehemaliger Angestellter hat alle bis auf ihn, der für seine Entlassung gesorgt hat, erschossen. Smith kann sich das nur mit einem Wunder erklären. Er glaubt, dass Gott ihn auserwählt habe. Fortan will er sein Leben dem Guten und seiner Verkündigung widmen. Doch seine direkte Umgebung reagiert skeptisch. Diesem bis dahin berechnenden und egoistischen Macho traut weder die Ex-Ehefrau noch die Ex-Geliebte diese Wandlung zu. Auch sein Anwalt und der untersuchende Inspektor mögen der Erweckungsgeschichte nicht glauben.
Autor Neil LaBute untersucht in seinem Stück „Zur Mittagsstunde“, ob ein Mensch sich nach einer Katastrophe zum Guten wandeln kann. Welche Werte werden sein weiteres Leben bestimmen? Wie reagiert seine Umwelt auf seine Persönlichkeitsveränderungen?
Smith sieht sich als Auserwählten. Doch sein Heiligenschein erscheint weniger strahlend, je mehr Einblick die weiteren Szenen in seine Vorgeschichte geben. Jeder, der wie Smith seinen Willen zum Guten bisher nur wie ein Banner vor sich herträgt, wirkt naturgemäß weniger überzeugend als einer, der ihn in seinem Leben schon sichtbar umgesetzt hat.
Smith stilisiert sich zu einem Erweckungsprediger, der mit seiner Botschaft durch die Lande zieht. Das mag in Amerika, in einem Land mit TV-Kanälen von Fernsehpredigern, nichts Außergewöhnliches sein. Für ein deutsches Publikum wirkt das in einer ironiefreien Übertragung distanzierend. Wenn Smith dann zum Schluss von seinem Predigerpult noch direkt in den strahlenden Bühnenhimmel aufsteigt, übersteigt das auch das Verständnis in den Zuschauerrängen.
Darsteller Marcus Bluhm müht sich sehr, diesem Smith Glaubwürdigkeit zu verleihen. Er zeigt einen scheinbar Geläuterten, der sich ab jetzt der Ehrlichkeit verschrieben hat. Bluhm schafft es immer auch die Möglichkeit seines Rückfalls in eine konsumorientierte Medienwelt mit anklingen zu lassen. Brav werden unter der Regie von Jens Pesel die Szenen der Begegnung mit den einzelnen Vertretern der Gesellschaft durchgespielt. Doch an die Intensität der ersten Szene, in der Bluhm zitternd, bebend und schlotternd vom gerade überlebten Amoklauf berichtet, reicht keine mehr heran.
Birgit Schmalmack vom 1.12.11
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