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Gazino Berlin, Heimathafen
Bridge Markland + Gäste: queens + kings, AHA
Die Nibelungen, allerdings mit anderem Text und anderer Melodie
Pures Vergnügen
"Radio Walhalla" ist auf Sendung. Die Welt der Nibelungen entsteht auf der Bühne des Schauspielhauses. Doch in etwas ungewohntem Outfit. Der unbesiegbare Siegfried kommt als zarter "Sigi Stargast" (Clemens Sienknecht) daher, in seinem spacigen Superman Kostüm. Um Kriemhild zu gewinnen, muss er Gunter zu seiner angebeteten Brünhild verhelfen. Doch der Wettkampf mit Hagen von Tronje wird nicht mit Schwertern oder Fäusten ausgetragen. sondern mit Songtiteln. Klarer Sieger bleibt Sigi. Er reiht einen Hittitel an den nächsten. "Dieser Wettkampf wurde ihnen präsentiert von Mode Meier!"
In ihrem Tonstudio nehmen sie immer mal wieder um den Plattenteller Platz. Sie lauschen der beruhigenden Erzählerstimme inmitten ihrer Sitzrunde. Solange bis jemand der Platte einen Schubs gibt oder alle aufspringen und die nächste Szene lieber live spielen.
Obwohl Radio Walhalla zu Beginn ankündigt, dass heute alles auf gut deutsch stattfindet, stammen auch dieses Mal alle Zutaten aus den poppigen Achtzigern. Alles ist hier im Diskofieber. Statt deutscher Welle dreht sich hier der Pop-Teller. So wird auch das deutsche Heldenepos wieder in kleine Werbepausen taugliche Schnipsel zerhackt. Wenn das Drama zu nervenaufreibend wird, wird der nächste Jingle eingespielt, wird der nächste Werbeblock eingeschaltet oder die Verkehrsnachrichten eingeblendet.
Die bewährten Schauspieler haben unter der Regie von Clemens Sienknecht und Babara Bürk wieder einen sichtbaren Spaß an ihrer Veralberung der Vorlage. Nach Anna Karenina und Effi Briest jetzt die Nibelungen. Ihr Rezept dazu bleibt gleich: Verdauliche Häppchen unterbreiten die Darsteller ihrem begeisterten Publikum. So kann man die Nibelungen ohne Bayreuth-Pathos und -Pomp leicht verdaulich genießen. Möglichen Diskurse über eine nationale Heldengeschichte, die eine ungünstige Verknüpfung mit dem Nazierbe eingehen könnte, sollen hier nicht die Stimmung trüben. So kann sich jeder im Publikum ungestört dem albernen Vergnügen auf der Bühne widmen.
Birgit Schmalmack vom 14.10.19