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WG mit Abgründen
Der Neuankömmling in der WG wird willkommen geheißen. Alle sind gekommen um ihn zu begrüßen. Doch er merkt sofort, dass sich hier allerlei merkwürdige Gestalten versammelt haben. Neben ihm wohnt eine sexbesessene Asiatin, die ihn sogleich in ihre Badewanne zu ziehen versucht. Daneben wohnt ein Mann, der sich ein Huhn hält, das mehr spricht als er selbst. Rechts neben der einsamen Frau mit der Brille, die als einzige halbwegs normal zu sein scheint, wohnt eine Familie, dessen extrem dicke Frau immer im offenen Bademantel herumrennt, dessen Mann nur merkwürdige Laute von sich gibt und die zwei Söhne haben, die stets im Doppelpack stumm den Anweisungen ihrer Eltern folgen. Der Mann im Erdgeschoss, der eigentlich Musiker ist, redet in einer Sprache, die nur er selbst versteht und leidet an ständigen Echos, wenn er eine Aufnahme in seinem Studio starten will. Der Mann, der ganz unten wohnt, macht durch sein Outfit schnell deutlich, womit er sein Geschäft betreibt. Er ist derjenige, der den Grill und den Fleischwolf ständig mit Frischfleisch befüttert. Als der Musiker dann plötzlich im Rollstuhl auftaucht, weil ihm ein Bein abhanden gekommen ist, ahnt man auch, woher dieses Fleisch kommt.
Makaber dieses Stück zu nennen, ist schon ein Euphemismus. Es ist eine Groteske, der die menschlichen Abgründe so übersteigert, dass die Selbsterkenntnis erst einmal hinter Ekel und Abscheu zu verschwinden droht. Karin Beier rettet die abendliche Performance vor der sofortigen entsetzten Abwendung durch die Vielzahl der eindrucksvollen Bilder und der punktgenauen Choreographie der Darsteller. Wie das Schachtelbühnenbild mit dem Geschehen hier perfekt ineinander greift, ist tolle Handwerkskunst. Beiers Trilogie über die Verderbtheit des Menschengeschlechts hat hier ihren moralischen Tiefpunkt und damit auch ihren Abschluss erreicht. Nach so viel niederschmetternde Analyse darf jetzt auch gerne wieder ein konstruktiver Blick in die Zukunft kommen. Für eine Spielzeiteröffnung nicht unbedingt ein gelungener Auftakt. Pessimistischer kann ein Beginn kaum ausfallen.
Birgit Schmalmack vom 4.10.17
Abbildung: Tartare Noir, Schauspielhaus - © Thomas Aurin
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