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Auf der Drehbühne ist ein Glasraum montiert. Leicht vom Untergrund abgehoben, thront er auf der Bühne. Hinter ihm zeichnet sich die Skyline von New York ab. Lehman hat gerade seinen Fuß ins Gelobte Land gesetzt. Er ist mit dem Schiff aus Bayern nach Amerika gekommen. Während er davon berichtet, ist auf der Bühnenrückwand das Meer zu sehen, bald darauf deutet die Freiheitsstatue die Ankunft in New York an. Amerika hatte er schon die ganze Zeit in seinem Kopf. Jetzt ist Hayum Lehmann da. Seinen Namen ändert der Grenzbeamte kurzerhand in Henry Lehman ab. Nicht die letzte Transformation, die er noch vor sich hat. Sein Leben in den USA wird geprägt sein von vielen Veränderungen und Übergängen. Henry geht zunächst nach Alabama, wo er einen kleinen Textilladen aufmacht. Bald kommen seine beiden jüngeren Brüder nach. Henry wird der Kopf bleiben, Emanuel der Arm und Mayer wird der Vermittlern zwischen den beiden Alphatieren. Er wird die "Kartoffel" genannt.
Mit nur drei Schauspielern (Simon Russell Beale, Ben Miles, Adam Godley) werden nun über 160 Jahre Familiengeschichte erzählt. Sie ist vor allen Dingen eine Firmengeschichte. Der Aufstieg und Fall der "Lehman Brothers". Wie die Brüder sich von Händlern mit Baumwolle zu Kaffee, von Erdöl zu Immobilien und von Geld zu Finanzprodukten entwickeln, wird auf der Drehbühne in dem Glaskasten nacherzählt. Ein Tisch, ein paar Stühle, viele Umzugkartons und drei Schauspieler reichen dem Regisseur Sam Mendes, um ihre Auf und Abs in einen spannenden Rahmen zu setzen. Das liegt vor allen Dingen an den drei tollen Darstellern, die ohne jede Verkleidung in immer neue Rollen schlüpfen. Adam Godley schlägt den Mantelkragen hoch, senkt den Blick, dreht die Taille leicht und schon steht er als Zukünftige vor Henry. Der graubärtige Simon Russell Beale spielt den frühreifen Sohn Philipp mit vorwitzigen Augenaufschlag. Alter und Geschlecht werden von einer Szene zur nächsten ohne jeden Glaubwürdigkeitsverlust gewechselt. Es wird die Geschichte von Selfmade-Männern erzählt. Das sie nur von Männern dargestellt wird, ist dabei nur konsequent. Frauen sind hier nur Beiwerk.
Da dies nicht nur die Geschichte von den Geschicken einer amerikanischen Firma sondern auch vom Einbruch der kapitalistischen Finanzordnung von globalen Ausmaß ist, macht den Abend inhaltlich schon spannend. Aber erst die poetische Art der Erzählung macht es zu einem sehenswerten Theaterabend. Die drei berichten stets in der dritten Person von sich. Der Text ist strukturiert von Wiederholungen und von Ritualen. Sie geben den Brüder in der Zeit der stetigen Wandlung Struktur und Halt.
Im Savoy-Kino können Hamburger Zuschauer diesen und weitere herausragende Inszenierungen des National Theatre aus London im englischen Original miterleben. Ein Live-Mitschnitt aus dem jeweiligen Theater (dieses Mal aus dem Picadilly Theatre) sorgt für ein direktes Miterleben.
Birgit Schmalmack vom 17.10.19
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