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Ein sozialkritisches Märchen
Der Autor Roland Schimmelpfennig hat eine neue Literaturgattung erfunden. das sozialkritische Märchen. Auf die Bühne hat "Das große Feuer" das Mannheimer Nationaltheater mit Betonung auf dem zweiten Attribut gebracht.
Die Märchenerzählerin gibt Nicole Heesters. Sie berichtet von zwei Dörfern, die wie zwei Zwillinge an einen Bach geschmiegt nebeneinander in der Landschaft liegen. Zwar haben beide Dörfer je eine Kirche, einen Friedhof, eine Schule und eine Gaststätte, dennoch gibt regen Austausch zwischen beiden. Ein Liebespaar findet sich schon in der ersten Szene, obwohl sie diesseits und jenseits des Baches wohnen und deren Väter heillos zerstritten sind. Durch eine schmale Brücke über den schmalen Bach sind die beiden schließlich bestens verbunden. Doch dann scheint sich das Blatt zu wenden. Im Sommer regnet es nur auf der einen Seite, die andere darbt in der aufkeimenden Dürre vor sich hin, Die anschließenden sturzbachartigen Regengüsse sorgen im Dürredorf für eine Überschwemmung, der anschließende Winter für eine Hungersnot und eine folgende nicht zu heilende Fieberwelle für viele Toten. Als endlich wieder Ruhe und Normalität eingekehrt zu sein scheint, bricht das große Feuer aus, dass die Menschen vor sich her auf die andere Seite treibt. Doch die Brücke ist schon seit der Fieberepidemie gesperrt und mit der Überschwemmung endgültig hinfort gerissen worden. Aus dem kleinen Bach ist mittlerweile ein breiter Fluss geworden, dessen anderes Ufer nicht mehr zu erkennen ist. Als die Feuerflüchtlinge dennoch mit einem Boot hinüberfahren wollen, entdecken sie, dass sie auf dem weiten Meer gelandet sind.
Die Parallelitäten zu heutigen Ereignissen sind sofort und schnell auszumachen. Dabei verzichtet die Inszenierung von Burkhard C. Kosminski auf jede Hinweise zur Gegenwart. Die Kleidung ist eindeutig in der ländlichen Vergangenheit verortet. Sie soll an Gemälde von Bruegel erinnern. Kosminski unterstützt mit allen Bild- und Tonmitteln ganz konsequent den märchenhaften Charakter. So kann der Zuschauer sich auch einfach zurücklehnen und einen wunderschönen Abend genießen ohne sich mit den angesprochenen Problemen zu beschäftigen zu müssen. Der Bühnenbildner (Florian Etti ) hat wirklich Großartiges geleitstet, um in eine abstrakte Märchenwelt zu versetzten. Einzig mit dem Material Papier erschafft er Bilderwelten von Landschaften, Naturgewalten, Flüssen und Dörfern. Mal ist die Papierbahn der Himmel, der kurz darauf auf die Menschen stürzt und zu Hügeln zusammengeknüllt wird, in denen sich die Menschen verstecken können. Mal werden in die Papierbahnen Fenster geschnitten, durch die Nachbarn der Dorfes herausschauen und ihre Geschichte erzählen können. Mal wird eine noch vorne gekippte Papierbahn nur mit der Hilfe eines Federmessers zu zwei Flusshälften, die sich im Laufe des Abends immer weiter voneinander entfernen, bis sie von einem Meer getrennt sind. Sehr beschaulich ist dieser Abend geworden. Doch wahrscheinlich wollte Schimmelpfennig genau diese Möglichkeit mit der Schaffung seines sozialkritischen Märchen offen lassen. Kosminski hat sie voll ausgeschöpft.
Birgit Schmalmack vom 10.11.17
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