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Ein besonderer Vater
Die Kinder haben Windpocken, der Vater hat Lager. Wie eine schwere Krankheit hat die KZ-Internierung im Körper des Vaters Spuren hinterlassen. Seine Ohren hören noch immer die Aufseher und die Glocke, seine Ohren riechen noch immer die Gerüche aus dem Krematorium, seine Hände zittern noch immer in Erinnerungen an die Tortuten durch die grausamen Wärter. Nachts jagen ihn die Alpträume hoch. Seinen Kindern erzählt er als Gutenachtgeschichten von dem unter Strom gesetzten Stacheldraht, auf den die Gefangenen klettern mussten. Sein Hobby ist Flüchten. Dafür macht er mit seinen drei Kindern eine Spritztour in den Wald. Dieser Vater ist anders als alle anderen Väter. So sind auch seine Kinder anders als die anderen Kinder. Dieser Vater hat die Eichmanns, die die anderen im Fernsehen als ausgestellte Gefangenen und Täter begaffen und verachten können, am eigenen Leibe erlebt.
Gilla Cremer gibt all diesen Figuren Gestalt, wenn sie nach Carl Friedmanns Erzählungen aus der Sicht der kleinen Tochter ihr Leben mit ihrem Vater und der besonderen Familie beschreibt. Sie schildert voll Verständnis und Liebe diesen außergewöhnlichen Vater, auf den sie stolz ist. Sie wächst mit grausamen Geschichten auf, von denen sie genau weiß, dass sie keine „richtigen“ Geschichten sind sondern die Wahrheit. Cremer zeigt aber auch die Bürde, die den Kindern damit auferlegt wird. Als Berufswunsch gibt das kleine Mädchen „Unsichtbar“ an. Sie will nicht von der SS gefunden werden. Als ihr Bruder andeutet, es können wieder einen Krieg geben, vergräbt sie schnell ihr Spielzeug. Doch selbst ihr kleinerer Bruder hat schon durchschaut: Wenn die SS dich holt, brauchst du anschließend kein Spielzeug mehr.
Mit kleinen Gesten, mit wenigen Requisiten erschafft Cremer Gedankenwelten, die beklemmen, berühren und beeindrucken.
Birgit Schmalmack vom 5.2.10
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