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Eine fast ganz normale Familie
Ist eine Familie eine innige Gemeinschaft oder nur eine Ansammlung von Leuten mit ähnlicher Kombination von Zellhaufen? Die Meinungen in der Familie Weston in Oklahoma sind sehr geteilt. Gemeinsam ist aber allen der tiefe Wunsch nach dieser Verbundenheit und die Unfähigkeit sie zu erreichen. Die Gründe sind vielfältig und werden in fast dreistündigem Stück von Tracy Letts sorgsam analysiert.
Der berühmte Dichter und Alkoholiker Beverly Weston begeht Selbstmord. Die drei Töchter reisen an, um der Mutter Violet beizustehen. Violet ist wild entschlossen, das Vertuschen zu beenden und allen die Wahrheit ins Gesicht zu schleudern. Nachdem die melancholisch-ausgleichende Obhut ihres Mannes fehlt, behauptet sie ihr Recht als Älteste. Wie bei dem berühmten Film "Das Fest" brechen alle Fassaden zusammen, als die gesamte Familie am Esstisch zusammensitzt, hier anlässlich der Beerdigung. Doch bevor es zum großen Showdown kommt, werden die Beziehungen der Geschwister sorgfältig seziert, die Wünsche und Enttäuschungen der Töchter zu ihren jeweiligen Liebhabern gezeigt, die Hoffnungen der älteren Generation an ihre Nachfolger analysiert und die Unmöglichkeit der Verständnisses zwischen den Generationen offen gelegt. Eine tief greifende Einsamkeit kontrastiert in dieser Familie mit der Sehnsucht nach inniger Einverständnis und Hilfestellung. Loslösungsversuche werden immer wieder gestartet und sind doch zum Scheitern verurteilt. Zu mindestens das schlechte Gewissen bleibt ständiger Begleiter. Dem will sich die älteste Tochter nun stellen. Sie bleibt bei ihrer tablettenabhängigen Mutter. Schon sitzt sie wie sie noch am Nachmittag in Nachkleid und Morgenmantel am Esstisch. Doch dann zerstört Violet auch diese letzte Möglichkeit zu nie dagewesenen Familienbande mit treffsicherer Zielgenauigkeit: Ich bin die Stärkere, triumphiert Violet über den Selbstmord ihres Mannes. Barbara steht auf und lässt ihrer Mutter die Feier ihres einsamen Sieg.
Regisseur Peter Hailer verzichtet fast ganz auf Zutaten. Nur die Drehbühne dreht sie langsam und eröffnet immer neue Einblicke in die leicht verwahrlosten Räume mit nackten Betonwänden und siebziger Jahre Ausstattung. Es ist eine stille Aufführung, die nur langsam an Fahrt gewinnt. Wer bis zum Ende zuhört und die Kanonade an Schimpfwörtern des Lebensfrustes erträgt, wird belohnt mit einem spannenden Psychodrama einer fast ganz normalen Familie.
Birgit Schmalmack vom 8.9.10
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