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Die tickende Zeitbombe der Intrige
Die abschüssige Bühne ist von Scheinwerfern und Kameras umgeben. Aufpasser recken ihre Köpfe über den hinteren Rand. Doch Luise kann das nicht schrecken. Sie ist voll des Liebesglücks. Sie stürmt über die Bühne, rennt ihren Vater (Konstantin Graudius) fast um. Der ist skeptisch und würde dennoch seiner geliebten Tochter ihr Glück von Herzen gönnen. Doch er weiß um die Gefahr, wenn sich Ferdinand, der Präsidentensohn in eine bürgerliche Musiklehrertochter verliebt. Es kommt wie befürchtet: Alle werden sich zu Spielfiguren auf dem Schachbrett der Herrschenden. Ferdinands Vater, der Präsident, schiebt sie nach seinem Gutdünken hin und her. Aus Machtgründen will er eine Heirat seines Sohnes mit der Geliebten des Herzogs, Lady Milford, arrangieren. Sein Sohn wagt es sein Angebot auszuschlagen.
Er hat etwas gegen seinen Vater in der Hand: Er weiß, wie sein Vater seinen Vorgänger im Amte ausgeschaltet hat. Sein Vater ist ein eiskalter Machtmensch, der seine Waffen stets griffbereit hat. Sobald sich jemand ihm widersetzt, greift er zur Gewalt, mit Hilfe seines Sekretärs Wurm (Oliver Warsitz) auch zur psychologischen. Luise und Ferdinand wagen dennoch den Aufstand der wahren Gefühle. Unter den sich überstürzenden Ereignissen werden sie zu Helden. Luise greift als erste zur Waffe, als sie keinen Ausweg mehr sieht.
Schiller führte in seiner Tragödie den Irrsinn der Klassengesellschaft vor Augen. Er stellt die wahrhaft Tugendhaften den vermeintlich Hochstehenden gegenüber. Die einen betrügen um des Machterhalts willen, die anderen tragen die Konsequenzen ihres moralischen Handelns erhobenen Hauptes. In der punktgenauen Inszenierung des Regisseurs Wolf-Dietrich Sprenger, die bis zur letzten Sekunde fesselt, ist das ein überaus spannendes Liebesthriller, bei dem man ständig die Zeitbombe ticken hört. Auf der leeren Bühne werden die psychologischen Beweggründe der einzelnen Personen fein beobachtet und mit dem reichen Waffenarsenal offenbart. Stephan Benson spielt den machtgierigen, herrschsüchtigen Präsidenten, der das Leben als machtstrategische Aufgabe begreift. Roland Renner ist der androgyne, kapriziöse Marschall von Kalb, dessen Handeln von wenig Rückgrat und viel Furcht bestimmt ist. Jonas Minthe als Ferdinand ist ein gut gewähltes Objekt der Liebe. Als stürmischer, junger, attraktiver Mann kämpft er für die Liebe zu seiner Luise. Allerdings zeigt sich bald, dass er in seinen Gefühlen weniger beständig ist als sie. Als ein gefälschter Liebesbrief auftaucht, schlägt seine ewige Liebe blitzschnell in heftiges Misstrauen, Eifersucht und Rache um. Kristin Suckow zeigt dagegen die Entwicklung der Luise von einem schwärmerischen Teenager zu einer klar argumentierenden und handelnden, starken Frau, die Ferdinands Entscheidungen am Schluss den Weg weist. Eine herausragende Arbeit am Ernst-Deutsch-Theater, die kaum etwas zu wünschen übrig lässt!
Birgit Schmalmack vom 3.5.16
Abbildung: Kabale und Liebe im EDT - Copyright: Oliver Fantitsch c/o Ernst Deutsch Theater
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