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Tabu, Altonaer Theater

Tabu, Altonaer Theater



Wahrheit oder Wirklichkeit?

Sebastian hat gestanden. Den Mord an einer Frau. Doch es fehlt die Leiche. Dass das Geständnis unter Androhung von Folter zustande kam, macht den Fall für Anwalt Biegler interessant, auch wenn der Angeklagte beharrlich schweigt. Er gilt als schwieriger Typ. Er war schon immer anders. Er hört und spürt alle erlebten Eindrücke in Farben. In seinem Beruf als Fotograph konnte er dieses Talent zu einer Kunstform entwickeln. Als er die schöne Sofia durch einen Auftrag kennen lernt, lässt er zum ersten Mal eine Nähe zu, die hauptsächlich aus Schweigen besteht.
Bis Biegler den Fall aufgeklärt hat, müssen viele Seelenschichten von Sebastian freigelegt werden. In eingeschobenen Szenen wird in seine Kindheit zurückgeblendet. Seine intensive Beziehung zum Vater fand durch dessen Selbstmord ein jähes Ende. "Du hast mich belogen", wirft er ihm im Nachherein vor. Die Abgrenzung der Begriffe Lüge, Wahrheit und Wirklichkeit werden ihn sein Leben lang beschäftigen.
Eva Hosemann hat aus dem Roman "Tabu" von Ferdinand von Schirach ein spannendes, vielschichtiges und nachdenkliches Bühnenstück werden lassen. Die genial einfache Bühnengestaltung von Stephan Bruckmeier erlaubt immer wieder neue Sichtweise auf eine scheinbar geschlossene Welt. Zuerst sind alle Wandelemente schwarz und zu einem geschlossenen Raum arrangiert. Doch sie sind klappbar und können zu Drehtüren werden, ihre weiße Rückseite offenbaren und zugleich wunderbare Projektionsflächen für Sebastian Bilder entstehen lassen.
Für die Freiheit des einzelnen Menschen, der nur sich selbst verpflichtet ist, ist Biegler Anwalt geworden. Sie müsse unter allen Umständen verteidigt werden. Sebastians letzte Frage ist die nach der Schuld. Auch da hat Biegler eine klare Meinung: Schuld ist nur der Mensch.
Schirach ist ein kluger Text gelungen, Hosemann eine tolle Bühnenumsetzung. Sie hat dafür hervorragende Darsteller. Besonders Kai Maertens als wortgewandter, ironiebegabter Anwalt und Philipp Wilhelmi als verschlossene undurchsichtige Künstlerpersönlichkeit ragen aus dem durchweg guten Ensemble heraus. Insgesamt ein gelungener, sehenswerter Theaterabend!
Birgit Schmalmack vom 5.3.17

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