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Ein Wolf packt aus
Der Wolf ist empört: Wie konnte es passieren, dass so viele andere Tiere mit guten Eigenschaften verknüpft werden, doch er als Wolf stets als ausgemachter Bösewicht gilt? Dieser Wolf hier auf der Bühne in seinem naturfarbenen Landmannsanzug mit den geschnürten Gamaschen ist nicht nur schlau sondern auch gut assimiliert, er hat seine Quellen studiert und allerlei Fakten mit in seinem Gepäck. Frisch aus den Büchern hat er die Seiten herausgerissen, die für sein schlechtes Image verantwortlich sind. Aus den zahlreichen Brust- und Hosentaschen seiner Kleidung zieht er seine Funde aus den Werken von Luther, Jack London und Äsop heraus.
Die Geschichten, die über den Wolf verbreitet werden, entbehren jeden Wahrheitsgehaltes. Nie könnte ein Wolf zwei Menschen wie in Märchen vom Rotkäppchen auf einmal verspeisen. Selbst ein einzelnes Kind wäre schon zuviel für einen Wolfsmagen. In vielen Fabeln steht der schlaue Fuchs einem gemeinen Wolf gegenüber. Dass der Mensch sich ausgerechnet einen weichgespülten Wolfsverwandten als liebsten Freund ausgesucht hat, bringt den Wolf in leichte Rage. Ein wenig Neid schimmert in seiner Herablassung durch.
Doch es gibt Hoffnung: Aus seinem Rucksack zaubert der Wolf nach der Pause zwei Bücher. Ein dänischer Pädagoge empfiehlt Eltern sich als Leitwölfe für ihre Kinder zu sehen und eine gewisse Frau Schäfer will, dass Führungskräfte der Wirtschaft sich ein Beispiel an der Schlauheit und dem Teamgeist der Wölfe nehmen.
Um seine Friedfertigkeit zu demonstrieren, hat dieser Wolf an seiner Seite auf der Bühne ein Schaf, mit dem er in friedlichen Koexistenz dieser unverantwortlichen Wahrheitsverdrehung durch den Menschen nachgeht. Während das Schaf, dessen Identität nur durch einer Wollmütze auf dem Kopf angedeutet wird, Stirn runzelnd, fragend, schmunzelnd, staunend, erschrocken oder erheitert den Ausführungen des Wolfes folgt, sorgt es am elektrischen Piano für den richtigen Soundtrack oder trägt passendes Liedgut bei.
Oliver Törner und Eva Engelbach richten einen unterhaltsamen, vergnüglichen und dennoch nachdenklichen Abend ein, der in dem sympathischen und kleinsten Theater Hamburgs "Echtzeitstudio" einen wunderbaren Rahmen fand.
Birgit Schmalmack vom 16.9.17
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