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Allgemein:
Melissa kriegt alles, DT
Against the record, HAU 1
Manifesto, Harake Dance company
Salon 89, Sophiensäle
Gazino Berlin, Heimathafen
Bridge Markland + Gäste: queens + kings, AHA
Angsttherapie auf sinkendem Schiff
Auf dem untergehenden Schiff MS Phobia werden fortwährend Wassereimer über die Bühne nach draußen getragen. Doch die Show muss weitergehen. Denn schließlich muss der Angst offen ins Auge geblickt werden und sie dadurch überwunden werden. So widmet sich das elfköpfige Team um Engelbach und Weinand der Angst in ihren vielfältigen Ausformungen. Doch keineswegs angst- sondern humorvoll. Der Conférencier Stravros (Christian Rubinstein) kündigt die Acts mit großen Gesten und bedeutungsvollen Augenaufschlag an. Das Messerwerferpaar philosophiert über die Angst als Risikobewusstsein, als Überlebenswarnsystem und als lustvolles Steigern der Aufregung. Das Medium Ramona überwindet die Todesangst und holt Karl Lagerfeld aus dem jenseitigen Reich auf die Bühne zurück. Die Angst vor der entlaufenden Schlange Ilse führt bei den Schlangenbeschwörern zu angstvollem Geschrei und aufgeregten Sucheaktionen im ganzen Schiffrumpf und unter den Stühlen der Zuschauer. Ein Phobiendompteur animiert seine Spinnen zu einem kurzweiligen Ballett. Eine russische Wissenschaftlerin erklärt mit zwei Freiwilligen aus dem Publikum, die ihre Angst vor Elektrizität überwinden wollen, die Erzeugung von Ionenstrom mit einem Fön und einem Quirl.
Am Keyboard singt Amygdala von Herzsprung (Eva Engelbach) von der Angst vor Spinnen, vor der Überfremdung, vor der SPD oder der Klimakatastrophe. Nachdem ein selbsternannter Spezialist mit schwarz-rot-goldenen Shorts vor der drohenden Schwemme der Reptilioden warnt, die sich die Klimaerwärmung zunutze machen würden, singt Engelbach von der Angst vor Überfremdung. Nach der Präsentation eines Kunst-Schwitzers, der Angstschweiß in Form von Gemäldemotive auf sein Hemd schwitzen kann, singt Engelbach dagegen vor Angst des Künstlers vor dem weißen Papier und vor der Angst wieder kellnern gehen zu müssen. Nach der Pause wird der Angst vor der Neuen Musik begegnet. Dazu haben sich die SchauspielerInnen auf der Bühne im Halbkreis formiert, jeweils mit einem Instrument wie einem quietschenden Luftballon, einer Gabel auf Tontopf, einer knisternde Chipstüte, singenden Gläsern oder einer Klangschale in die Händen. Unter dem Dirigat von Engelbach wird nun schräge Musik vom feinsten geboten.
Weinand und Engelbach nutzen ihr Gastspiel im Schiffsbauch des Jugendtheaterschiffes Zeppelin, um ihre Nummerrevue der kabarettistischen Schauererzeugung anzubieten. Dass Variete von "variety" (Vielfalt) kommt, wie der Moderator verrät, nehmen die Macher Engelbach und Weinand hier wörtlich. Nicht alle Nummer zünden auf gleichem Niveau. Während einige Texte sich psychologisch differenziert dem Thema German Angst widmen, wirken andere Darbietungen betont klamaukig. Hier braucht niemand Angst vor zuviel Untergangsfantasien zu haben. Die gute Laune behält im Angst-Variete eindeutig die Oberhand.
Birgit Schmalmack vom 30.12.19
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