Ehrlich und eindeutig

 

Vormachen will Maximilian Ponader seinen Zuschauern in der Musikhochschule nichts. Gleich im Prolog, der sofort betont sich nicht anzumaßen zu wollen als solcher zu gelten, wird vor zu großen Erwartungen gewarnt. Wer Tiefgründiges und Sinnhaftiges erwarte, müsse enttäuscht werden. Nichts dergleichen werde in der „Operette legère“ „Phi-Phi“ geboten. Ponader scheut sich nicht vor stets eindeutigem Humor, nackten Tatsachen und einer Vielzahl von Trivialitäten. Nur den sehr guten Darstellern ist es zu verdanken, dass der Grat der allzu großen Peinlichkeiten nicht ständig überschritten wird. Die wenig tiefschürfende Geschichte um den Frauenliebhaber und Bildhauer Phidias (Olaf Franz), den Herrscher Perikles (Ponader persönlich) und ihre jeweiligen Ehefrauen und Liebschaften im antiken Athen erzählt von der Vergänglichkeit von einmal gefassten Treue-Vorsätzen. Nur hässliche Frauen könnten letztendlich tugendhaft bleiben.

In seiner Übertragung aus dem französischen Original hat der vielseitig begabte Sänger, Schauspieler, Übersetzer und Regisseur Ponader viele bon mots unterzubringen versucht. Oft sind sie von folgenden Qualität: „Ich habe schon die Vorhänge geschlossen, aber für das nächste Mal brauchen wir ein Vorhängeschloss,“ muss einer der Liebhaber (Michael Cagna) zu seiner Geliebten (Katharina Sellschopp) sagen. Die für jeden verständlichen Allegorien befinden sich auf einer Ebene, die den Regisseur für eine Laufbahn in den Theatern der Hamburger Amüsiermeile qualifizieren dürfte. So nimmt er den Titel von Henri Christinés Operette zum Anlass für die Verwendung des kleinen griechischen Buchstabens j (sprich: phi), mit dem er alle Brüste der Statuen in des Meisters Atelier rosa markieren lässt. Wenn dann das zunächst tugendhaft auftretende Nähmädchen (Wiebke Huhs) auch noch mit zwei rosa j-Möpsen auf die Bühne kommt, die die Männer verrückt machen, braucht man keine Erklärung, was einem das wohl sagen soll.

Doch der Regisseur kennt als ehemaliger Philosophiestudent auch die griechischen Theoretiker, wie er in einer Ausziehpause der Aktmodelle beweist. Da hält er zwischen den Zuschauerreihen mal eben einen vergnüglichen Kurs in theatertheoretischen Grundlagen des Aristoteles und doziert mit über Einheit von Ort, Zeit und Handlung. Mit seinem handlungsorientierten Ansatz lässt er das Publikum die drei Grundsätze im Kanon wiederholen, während er seine bemühten Reimereien vorträgt.

Die Kostümbildnerin Katti Galsterer staffierte die Figuren raffiniert, fantasievoll und im Gegensatz zur Regie nur leicht ironisierend aus. Wenn der Liebeskünstler in weißer Generalsuniform mit eingenähter roter Schärpe daherstolziert und sich zum Beweise seiner körperlicher Vorzüge ebenfalls entkleiden soll, trennen diagonal verlaufende Reißverschlüsse den weißen vom roten Stoff und er steht als schräger Vögel mit kurzen Hosenbeinen und nun sichtbaren, farblich passenden Ringerstiefeln für den Konkurrenzkampf unter den wahren Männern da. Die detailverliebte, leicht chaotisch wirkende Bühnenausstattung (Fabian Lange) spart - ganz im Sinne der Inszenierung - nicht mir eindeutigen Darstellungen (Christian Ulrich), die die Attribute von Mann und Weib überdeutlich zur Geltung bringen.

Ponader erfreute sich in seiner Diplominszenierung des Studienganges Musiktheater-Regie an der ehrlichen Direktheit von eindeutigen Vergnüglichkeiten, die sich nicht mit umständlichen Zweideutigkeiten aufhält. Obwohl die Leistungen der Mitwirkenden mit freundlichem Beifall gewürdigt wurden, dürfte die Freude der Zuschauer zwiespältig geblieben sein.

Birgit Schmalmack vom 9.11.02