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Zur Kritik von |
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Love it or leave it, MGT |
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This is the end my friend
Der Boden tut sich auf, Nebel steigt auf, aber die Familie (Lea Draeger, Aylin Esener, Tim Porath, Taner Shaintürk, Mehmet Yilmaz) sitzt schweigend in ihrem Wohnzimmer und trinkt Tee. Die Ruhe ist nur Schein, wie die folgenden apokalyptischen Szenen aus einem Land namens Türkei „Love it or leave it!“ von Nurkan Erpulat zur melodramatischen Orgelmusik (Philipp Haagen) zeigen. Da gibt es eine Familienaufstellung, in der ein Imam der Tochter ihre richtige Position in der Familie weist. Zum Schluss sitzt sie unter dem Tisch, auf dem ihr Vater thront. Da gibt es Anbetungszeremonien für einen Politiker, der die Durchbrechung alles bisherigen Regeln zum Wohle des Volkes verspricht. Da gibt es eine Sexszene voller Lust und Leidenschaft, die sich in den Kleiderschrank verlagern muss, weil die Nachbarn sie durch lautes Klopfen unterbinden wollen. Da gieren die Menschen nach den verbotenen Früchten, die von der Decke baumeln. Bei ihrer Berührung droht ein Stromschlag. Da veranlasst ein Telefonanruf des Vaters den betrunkenen Sohn dazu, alles illegal gewonnene Geld schnell verschwinden zu lassen. Der Sohn versucht alles unter den Teppich zu kehren. Da will eine Lehrerin Selbstmord begehen. Sie glaubt nicht mehr an den Rückzug ins Private, den ihr Mann noch in den hellsten Farben ausmalt. Da schreit ein Schwuler seine Hassliebe zur Türkei heraus. Eine Mutter überredet ihren Sohn eine Zigarette zu rauchen, um ihm dann vorzuwerfen, dass er keinen Respekt ihr gegenüber hätte, weil er vor ihr rauche. Zum Schluss erscheint wieder das Bild der Tee trinkenden Familie vom Beginn. Wieder herrscht Schweigen. Das eine qualmende Loch im Fußboden scheint keiner mehr zu interessieren. Doch dann tut sich ein zweites Loch auf. Erpulat zeichnet ein düsteres Bild der Türkei. Sie ist gespalten. Mitten durch die Familien gehen die Risse hindurch. Tradition und Moderne, Patriarchat und Emanzipation, klare Geschlechterrollen und Homosexualität, Heldenverehrung und Sehnsucht nach dem Vater, Religion und Aufgeklärtheit – alles ist in den Szenen zu sehen. Doch statt im offenen Widerstreit zu neuen Formen zu finden, scheinen sich immer weitere Risse, Brüche und Gräben aufzutun. Er zeigt, dass nicht Erdogan das Problem sondern ein Symptom ist. Man kann Erpulat einiges vorwerfen. Dass er zu allzu klaren Bildern greife, die manchmal um Haaresbreite neben der Karikatur oder dem Slapstick landen. Dass er Klischees bediene. Dass er eine sehr drastische Sprache wähle. Intendantin Shermin Langhoff wollte einst im Ballhaus Naunynstraße ein postmigrantisches Theater machen. Mit Erpulats Inszenierung am Maxim Gorki geht sie noch einen Schritt weiter: Es wird ein Stück gezeigt, dessen eigentliche Zielgruppe nicht die üblichen links-liberalen Berliner sondern eher Deutschtürken sind. (Alle ohne dieses kulturelle Vorwissen brauchen ein Glossar, das am Eingang mitgeliefert wird). Wenn man sich keine Sorgen mehr darum machen muss, dass durch die unverblümte Analyse der türkischen Verhältnisse die Vorurteile der Biodeutschen bestärkt werden könnten, ist die auch postmigrantische Phase überwunden. Doch vielleicht Erpulat macht auch nur vorübergehendes Exil-Theater, so wie Can Dündar zu Exil-Journalismus gezwungen ist. Die anschließende Diskussion zum anstehenden Referendum am kommenden Sonntag in der Türkei lieferte genügend Anschauungsmaterial, warum das zurzeit notwendig ist. Birgit Schmalmack vom 12.4.17
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Reise nach Petuschki, Volksbühne Endspiel, BE
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