Zur Kritik von
Berliner Woche |
Zwei am Tresen
Happy-End in Karlshorst?
Andreas hat sich seinen Traum erfüllt: Er ist der stolze Besitzer einer Berliner Kneipe, die mittlerweile hervorragend läuft. Dumm nur, dass seine schöne Frau Sofia einen ganz anderen Traum hat. Sie hatte dem Kneipenplan nur zugestimmt, um damit das Kapital für ihr eigenes Restaurant in Italien zu erwirtschaften.
Ähnlich die Lage bei einem anderen Pärchen, das in die Kneipe von Andreas und Sofia kommt. Zuerst stoßen sie noch auf ihr großes gemeinsames Glück an: ihren kleinen süßen Sohn, ihre große bezahlbare Wohnung in Karlshorst, ihr gutes Leben als kleine perfekte Familie. Doch dann brauchen sie die Schnapsplatte, um die ersten erkennbaren Risse in ihrer Familieidylle herunterzuspülen. Als die ersten Du-Immer-Vorwürfe kommen und mit Ganz-Anders-Vorgestellt fortgeführt werden, lässt der Mann die Frau alleine sitzen und sie kippt den Rest der Gläser als Frustkiller.
Auch die Frau und der Mann, die sich zuvor am Tresen verabredet hatten, finden keine gemeinsame Linie. Die schicke Frau hatte Schluss gemacht, weil sie ihre Zeit nicht mit einem erfolglosen Messie verschwenden wollte. Als er ihr jetzt von seinem neuen, lukrativen Job und seiner Therapie in der Selbsthilfegruppe erzählt, will sie ihm großzügig eine zweite Chance zu geben. Doch zu spät; er hat bereits eine neue Freundin.
Viele solcher Geschichten spielen sich in der Berliner Kneipe ab, ob vor oder hinter dem Tresen. Immer geht es Regisseur Poyraz Türkay und Autorin Annekathrin Walther um die Lebensentwürfe von zwei Menschen. Zeitweise erschienen sie durch die rosarote Brille der Liebe als kompatibel. Doch im Laufe der gemeinsamen Zeit machte meist der eine mehr Kompromisse als der andere. Beanspruchen beide ein gleich großes Maß an Lebens-Traumerfüllung, ist ein Happy-End den wenigsten von ihnen vergönnt.
Die beiden Schauspieler Cinzia Scotton und Tobias Graupner leisten Erstaunliches. Sie schlüpfen im Laufe des Abends in elf Rollen. Während der eine sich hinter dem Paravent schnell umkleidet, hält der andere hinter dem Tresen die Stellung, schlüpft zusätzlich in die Rolle des Gastgebers und versorgt sogar die Zuschauer im Kulturhaus Karlshorst mit Getränken. Ein aufschlussreicher, lebensechter Theaterabend.
Birgit Schmalmack vom 2.8.15