A family outing



Von wegen dement!

Ursula Martinez spielt gern mit Erwartungen. Auch das Revival ihres "Family Outings" von vor 20 Jahren bewirbt sie mit Nacktfotos von sich und ihrer Restfamilie. Doch nackig machen werden sich die beiden Performerinnen auf der Bühne höchstens im übertragenden Sinne.
Vor zwanzig Jahren stand ihr Vater noch mit auf der Bühne, doch er ist mittlerweile verstorben. Die liebevollen Zickereien zwischen dem intellektuellen Physiker und der temperamentvollen Spanierin sorgten damals für Einblicke in das Familienleben im Hause Martinez. Doch intime Familiengeheimnisse holt Martinez dieses Mal unter dem altmodischen Sofa kaum mehr hervor, auch wenn sie die Zutaten dafür zuvor geheimnisvoll aus der Plastiktüte hervorgeholt und dort verstaut hat. Das einzig vermeintlich Spektakuläre dieser Re-Anactment einer Familienshow verrät Martinez gleich zu Beginn: Ihre Mutter Mila leide mittlerweile unter fortschreitender Demenz und erinnere sich nur noch an Dinge aus der Vergangenheit. Man erwartet also eine demente, alte, unbeholfene Frau neben Martinez. Doch weit gefehlt! Wenn die Tochter vorsichtig Ereignisse von damals nachfragt, erinnert sich die Mutter stets bestens. Die Mutter färbt ihren Tonfall bei ihren bestens einstudierten Antworten stets mit so viel Ironie, dass sie damit verrät, wie gut sie ihre Tochter durchschaut.
Mila erinnert sich auch an ihren selbst geschriebenen Beitrag für die Show: Ein kleines eigenes Theaterstück, dass sie nun unbedingt vortragen will, bevor die Papiere zur Entmündigung unterschrieben werden sollen.
Die beste Szene ist die letzte: Martinez will von ihrer Mutter wissen, was sie für Erfahrungen aus dieser Show gewonnen habe. Die Mutter täuscht Vergesslichkeit vor und Martinez muss ihr das Skript zum Vorlesen reichen. So liest die Mutter ihr "freiwilliges, ganz eigenes" Resümee mit ironischem Augenzwinkern vor. Von dieser Art des gleichberechtigten, Ironie geschwängerten Zusammenspiels hätte man sich noch mehr Beispiele gewünscht. In dieser Show kommt Martinez weniger frech daher als sonst. Diesen Part überlässt sie ihrer Mutter, die ihn jedoch mit zarteren Mitteln umsetzt. So gerät der Abend entschärfter, netter und sanfter, ohne die sonst gewohnte Prise Provokation und Frivolität.
Birgit Schmalmack vom 23.8.19.




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