Tschechow Scherben

Tschechow Scherben Theatergruppe Godot



Das Spiel des Lebens
Das Leben zerspringt in Einzelteile. In der Erinnerung bleiben einzelne Momente präsent, andere verschwinden im Vergessen. Die Abfolgen werden neu geordnet, bestimmte Augenblicke werden immer wieder durchlaufen. Ebenso ordnet der Regisseur Wladimir Tarasjanz Texte von und über Tschechow zu einem Abend über den Dichter und seine Figuren. Er mischt Teile aus Tschechows Theaterstücken, Erzählungen und Erinnerungen seiner Ehefrau so elegant, dass sich die einzelnen „Scherben“ wieder zu einem Ganzen zu fügen scheinen.
Alte Bekannte wie den alten Firs aus dem „Kirschgarten“, Konstantin, seine Mutter und Nina aus der „Möwe“, Wanja, Astrow und Sonja aus „Onkel Wanja“ trifft man hier wieder. Ihre Lebenslast ist schwer. Verlassen, einsam und verzweifelt und träge sind sie. So kennt man Tschechow. Doch diese wohl vertrauten Figuren treffen bei Tarasjanz jetzt auf Cubukov und Lomov aus dem wenig gespielten „Heiratsantrag“, einem Schwank aus der frühen Schaffensperiode des Dichters. Geschickt verschränkt Tarasjanz in seiner Textkomposition die grundverschiedenen Charaktere zu einem Lebensdrama. Sie werden in sekundenschnellem Wechsel von Wiba Stein, Carsten Arning und Thomas Yukata Schwarz als Gastspiel der Theatergruppe Godot im Theater N.N. gespielt.
Während Tschechows Theaterstücke sich viel Zeit nehmen, die träge, öde Alltagslast zu beschreiben, die von viel Gerede aber wenig Aktion gekennzeichnet ist, sprechen die „Tschechow-Scherben“ nur von den Kulminationspunkten ihrer Lebenswege und erzeugen so mehr Unterhaltungskraft als die Originaltexte. Das bringt die Vereinsamung und die Verzweiflung der Menschen auf den Punkt, ergänzt sie aber um die in den Stand von Werten gehobenen Banalitäten der Gesellschaft und führt so die gesamte Absurdität des Lebens vor Augen. Die letzte Szene aus dem „Heiratsantrag“, die mit einem Streit der Verlobten über die Qualität ihrer beider Jagdhunde beginnt und mit einem versöhnlichen „Das ist es, das beginnende familiäre Glück! Bringt Champagner!“ endet, offenbart auch die komischen Seiten beim Betrachten dieser Lebensabsurdität.
Birgit Schmalmack vom 20.5.12

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