Spekulationsort Wohnzimmer

Felix, Theater Das Zimmer



Der Teppich ist ein Spielfeld, die Spielsteine liegen im Regal. Alles in einem Wohnzimmer, dessen Einrichtung aus einem Ikea-Möbelhaus stammen könnte. Denn Felix agiert von seinem privaten Apartment aus. Seit die Börse auch für Laien mit einem Klick zugänglich geworden ist, kann jeder oder jede sich von zu Hause aus wie ein kleiner oder großer Investor bzw. Spekulant fühlen. Bei Felix entwickelte sich das anfängliche Ausprobieren zu letzterem. Mit seinen ersten Erfolgen sorgte er für so viel Interesse bei seinen Freunden, dass er viele von ihnen überreden konnte, ihm auch ihr Geld zum Spekulieren zu geben. Gerade die private Atmosphäre, die er in seiner Wohnung zu schaffen vermochte, erzeugte das Vertrauen, das dafür nötig wurde. Doch irgendwann wurde aus dem Spiel, das ihm so leicht von der Hand ging, Ernst. Denn der Erfolg blieb aus, Rückzahlungen blieb er schuldig. In Hoffnung auf den nächsten großen Gewinn sammelte er weiteres Geld von Freunden ein und sein System kippte endgültig in den Abgrund. Selbst als die Anrufe und Besuche bei Felix unbeantwortet blieben, schöpften die Freunde keinen Verdacht sondern dachten eher an einen Unfall denn an Betrug. Wie konnte es sein, dass so viel intelligente und vermögende Leute auf diesen Hochstapler hereinfielen. Das fragte sich nicht nur der NDR Podcast "DER TALENTIERTE MR. VOSSEN", der diesem realen Fall des deutschen Sprosses aus der Unternehmerfamilie Vossen, der in London seinen Geschäften nachging, nachspürte sondern auch die neue Produktion des Theaters Das Zimmer in Horn.

Autor Lars Ceglecki lässt allerdings anders als im Recherche-Podcast die Geschichte ganz aus der Sicht der Freunde spielen. Die drei Schauspieler:innen (Alexander Bräutigam, Lena Anne Schäfer, Lars Ceglecki) schlüpfen abwechselnd in ihre Rollen und die von Felix. In rasanten Wechsel spielen sie die verschiedenen Stufen ihres Erkenntnistrips durch. Und spüren dabei der Frage nach, wie es so weit kommen konnte. Das spannende Stück gibt nebenbei auch einen interessanten Einblick in veränderte Formen der Börsenspekulation, die Gründe für einige der heutigen Turbulenzen auf dem Finanzmarkt vermuten lassen. In kurzen Szenen, die Regisseurin Sandra Kiefer mit ihrem Team mit dem Spielmaterial aus dem Regal ideenreich umgesetzt hat, wird daraus ein gleichermaßen unterhaltsamer wie erkenntnisreicher Theaterabend.

Birgit Schmalmack vom 17.11.22