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Feuchtgebiete
Einsame Quasselstrippe
Eine junge Frau (Tascha Solis) in Krankenhausnachthemdchen hüpft beschwingt auf die Bühne und stellt sich ans Mikro: In ihrer Familie sei die Muschihygiene immer groß geschrieben worden. Erst allmählich könne sie sich davon emanzipieren: Heute schwört sie auf ihr eigenes Muschiparfüm. Aha, die Feuchtgebiete der Skandalautorin Charlotte Roche, wie man sie erwartet hat.
Doch die Theater Liga unter der Regie von Peter Dorsch hat sich zum Glück bei der Adaption dieses Buches für die Bühne nicht mit der medientauglichen, provozierenden Oberfläche zufrieden gegeben. Sie haben aus all den intimen Sex-Geständnissen Helen Memels die Geschichte einer einsamen Achtzehnjährigen extrahiert. Autorisiert wird dies durch das Rocheeigene Vorwort, in dem sie ihre Form von Glück beschreibt: Sie möchte ihre beiden Elternteile bis zu ihrem Tode pflegen, und zwar in einem Bett; dann wären diese geschiedenen Leute endlich wieder bei ihr vereint.
So erzählen die vier Schauspieler (neben Solis: Vanida Karun, Tobias Büssow, Mathis Köllman) die Coming-of-Age-Geschichte einer Helen, die auf der Suche ist nach einer Familie, die sie nicht im Stich lässt. Sie schälen aus dem ganzen freizügigen Gerede über Körperabsonderungen den traurigen Kern eines jungen Mädchens heraus, das sich schon mit achtzehn sterilisieren lässt, damit sie den Kreislauf von gestörten Töchtern durchbricht und sich seitdem lieber der Pflege ihrer selbst gezüchteten Avocado-Familie widmet.
Dorsch arbeitet gekonnt mit ständigen Brüchen. Geständnisse über Analduschen und Schließmuskelübungen werden abwechselnd von den männlichen und weiblichen Darstellern in sachlichem Tonfall am Mikro gegeben, während die anderen zu seichtem Popgedudel dezent swingen. Diese gewollt lockeren, redegewandten Teile von Helens Selbstinszenierung prallen auf Einblicke in ihre Familiebeziehungen, die von Schweigen gekennzeichnet sind.
Eine witzige, anrührende und tiefblickende Inszenierung, die das Bestseller-Buch unter einer ganz neuen Perspektive betrachten lässt.