Schwarz
Reza (Sean McDonagh) weiß, wie es geht: „Du brauchst eine Geschichte, um interessant zu werden“, rät er seinem Freund Horst (Sven Fricke). Dieser arbeitet als U-Bahn-Putzkraft und hat eigentlich gar keinen Ergeiz aus seinem Schacht des Hauptbahnhofs ans Tageslicht zu kommen, sieht aber ein, dass er dringend mal eine Frau braucht. Also wagt er sich mit frisch erfundener Identität als armenischer Flüchtling ans Tageslicht. Er landet in einer Aktivistengruppe, der er als Idenfikationsfigur ihres Gutmenschentums perfekt geeignet erscheint. Claudia (Birte Wentzek) schleppt ihn gleich mit zu einem Wochenendworkshop, der eigentlich der Vorbereitung der nächsten politischen Aktionen dienen soll. Doch bald brechen die eigenen Egoismen, Eifersüchteleien und Selbstdarstellungswünsche hervor und schieben die politischen Ziele beiseite. Derer gibt es genug: Von der Klimakatastrophe, über Kernkraftwerke bis zur Globalisierung ist alles dabei. Genug, um sich darin zu verlieren und doch eher die nahe liegenden Ziele anzusteuern. „Warum steht Susie eigentlich auf den Werner und nicht auf mich?“ „Die Männer in Deutschland sind alles Waschlappen.“ „Wann hast du das letzte Mal geküsst?“ Zum Schluss sind auch auf diesem Gebiet genügend Enttäuschungen eingesammelt und man erinnert sich wieder der politischen Aktion als befriedigende Freizeitaktivität.
Jetzt kommt Rezas zweiter Richtung weisender Auftritt: Der arabische junge Mann soll als Regisseur bei ihrer politischen Aktionskunst für den richtigen Starappeal sorgen.
Nuran Calis ist der Autor und zugleich der Regisseur von „Schwarz“. Gekonnt zeichnet er die Befindlichkeiten der deutschen Gesellschaft nach. Genüsslich nimmt er den deutschen Hang zur ernsthaften politischen Gutmenschlichkeit aufs Korn und ihre Neugier auf ein wenig Exotismus im eigenen Lande. In schnellen Schnitten und mit viel Videomaterial auf der riesigen Leinwand erzählt er von Horst, Reza und den Anderen. Für jeden entwickelt er eine eigene Persönlichkeit. Mit den jungen Schauspielern und Verena Reichhardt sind sie hervorragend besetzt. Ein schnelles unterhaltsames Stück.
Birgit Schmalmack vom 11.12.06
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